FAQ zu ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen
Auf dieser Seite beantworten wir die häufigsten Fragen rund um die Krankheit ME/CFS bei Kindern: Symptome, Diagnose, Fakten, Zahlen sowie Umgang im Alltag und Prognosen – verständlich, ehrlich und mit dem Ziel, betroffenen Familien Orientierung und Unterstützung zu bieten.
Long Covid steht für Auffälligkeiten ab vier Wochen nach einer COVID-19-Infektion. Die Beschwerden können sehr unterschiedlich sein: Erschöpfung, schlappe Beine, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Atemnot.
Post Covid ist eine Unterform von Long Covid. Wenn die Symptome mehr als 12 Wochen (bei Kindern mehr als 8 Wochen) anhalten und nicht anders erklärbar sind, spricht man von Post Covid. Auch hier können viele Organsysteme betroffen sein.
ME/CFS kann eine Langzeitfolge von Long Covid sein, kann aber auch durch andere Infekte (z. B. Pfeiffersches Drüsenfieber) entstehen. Allerdings darf die Diagnose ME/CFS erst gestellt werden, wenn die Symptome länger als 6 Monate andauern. Das Hauptmerkmal von ME/CFS ist die Post-Exertional Malaise (PEM) – eine Verschlechterung nach minimaler Belastung. ME/CFS ist meist langfristig oder dauerhaft einschränkend – oft deutlich schwerer als andere Long Covid-Verläufe.
ME/CFS ist eine rein körperliche Erkrankung – keine psychische Störung!
Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und internationale Leitlinien (z. B. der WHO, CDC oder NICE in Großbritannien) bestätigen, dass ME/CFS eine neuroimmunologische Erkrankung ist, die die Lebensqualität massiv einschränkt. Das bedeutet: Es sind körperliche Systeme betroffen – vor allem das Nerven-, Immun- und Energiestoffwechselsystem. Studien zeigen unter anderem Veränderungen im Gehirnstoffwechsel, der Durchblutung, der Mitochondrienfunktion und immunologische Auffälligkeiten.
Dennoch hält sich das Vorurteil, dass es sich um eine psychosomatische Erkrankung handelt, hartnäckig in der Gesellschaft und auch unter Medizinern. Dies ist allerdings oft fehlendem Wissen geschuldet. Eine Studie der MedUni Wien hat zudem potenzielle Biomarker für ME/CFS identifiziert. Auch in die Forschung von Biomarkern wurde bereits von der Bundesregierung investiert.
In ungefähr zwei Drittel der Fälle wird ME/CFS durch eine virale oder bakterielle Infektion ausgelöst. Auslöser kann das Coronavirus sein, aber nicht nur. Oft spielt das Epstein-Barr-Virus eine Rolle, aber auch andere Viren, wie Herpesviren, Dengue- und Influenza-Viren oder Enteroviren. Neben Viren sind Bakterien (Mykoplasmen, Borrelien, Chlamydien, Legionellen, Coxiellen) weitere Auslöser. Auch eine Corona-Impfung kann bei manchen Menschen ME/CFS auslösen.
Ja, ME/CFS wird zwar mehrheitlich durch Infektionskrankheiten ausgelöst, aber auch Stress, emotionale Instabilität, einschneidende Erlebnisse und traumatische Kindheitserfahrungen können das ME/CFS auslösen. Auch die Exposition mit Umweltgiften zählt zu den möglichen Auslösern. (Quelle: Bundesgesundheitsministerium)
Laut einer Umfrage der CDU bei der Kassenärztlichen Vereinigung wird aktuell von 80.000 bis 140.000 Kindern und Jugendlichen gesprochen. Allerdings dürfte die Dunkelziffer weit höher sein, da viele Kinder und Jugendliche durch fehlendes Ärztewissen fehldiagnostiziert werden.
Nein, Fatigue bei Kindern ist nicht automatisch gleichzusetzen mit ME/CFS. Fatigue ist oft vorübergehend und kann durch Ruhe oder Behandlung gelindert werden.
ME/CFS ist eine chronische Erkrankung, die durch anhaltende, schwere Erschöpfung gekennzeichnet ist, die sich durch Ruhe nicht wesentlich verbessert. Bei ME/CFS liegt vor allem eine Belastungsintoleranz (Zustandsverschlechterung nach Belastung) vor, die es bei der Fatigue in dieser Form nicht gibt.
Wenn bei deinem Kind anhaltende oder schwere Fatigue besteht, kann der Verdacht auf ME/CFS bestehen. Hier sollte eine gründliche medizinische Abklärung erfolgen, um die genaue Ursache zu bestimmen.
Bei Kindern kann ME/CFS schwer zu diagnostizieren sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Das Kardinalsymptom ist die Belastungsintoleranz. Anhand dieses Symptoms lässt sich die Krankheit sehr gut von anderen Erkrankungen abgrenzen.
Die Diagnose von ME/CFS bei Kindern erfolgt in der Regel durch den Fragebogen der Canadian Consensus Criteria und durch Ausschlussdiagnosen, bei denen andere mögliche Ursachen für die Symptome ausgeschlossen werden. Aktuell gibt es noch keine spezifischen Labortests, die eindeutig auf ME/CFS hinweisen.
Typische Schritte bei der Diagnose von ME/CFS bei Kindern:
- Anamnese:
- Dauer der Fatigue: Mindestens 3 bis 6 Monate anhaltende, schwere Erschöpfung, die nicht durch Ruhe verbessert wird.
- Weitere Symptome wie Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Kopf- und Halsschmerzen.
- Verschlechterung der Symptome nach körperlicher oder geistiger Anstrengung (postexertionale Malaise).
- Ausschluss anderer Erkrankungen:
- Umfassende Tests, zum Beispiel Blutbild, Entzündungswerte, Schilddrüsenfunktion, Infektionsserologien, um andere Ursachen wie Infektionen, Anämie, hormonelle Störungen oder psychische Erkrankungen auszuschließen.
- Umfassende Tests, zum Beispiel Blutbild, Entzündungswerte, Schilddrüsenfunktion, Infektionsserologien, um andere Ursachen wie Infektionen, Anämie, hormonelle Störungen oder psychische Erkrankungen auszuschließen.
- Einsatz von diagnostischen Kriterien:
- Es gibt mehrere internationale Kriterien, z.B. die Fukuda-Kriterien oder die Canadian Consensus Criteria.
- Es gibt mehrere internationale Kriterien, z.B. die Fukuda-Kriterien oder die Canadian Consensus Criteria.
- Bewertung des Schweregrads:
- ME/CFS kann leicht, mittelschwer und schwer ausgeprägt sein. Die Auswirkungen auf das tägliche Leben, Schule und soziale Aktivitäten werden bei der Einstufung berücksichtigt.
Da die Symptome vielfältig sind und Überlappungen mit anderen Erkrankungen möglich sind, ist die Diagnose oft eine Herausforderung und sollte von Ärzte durchgeführt werden, die sich mit ME/CFS bei Kindern auskennen.
Wichtig: Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um die Lebensqualität des Kindes zu verbessern und eine Verschlimmerung des Zustandes zu verhindern.
Ständige Bauchschmerzen sind bei den meisten Betroffenen tatsächlich erste Symptome von ME/CFS. Auch Studien belegen, dass gastroenterale Beschwerden zu den häufigsten Symptomen gehören. (Quelle: University of Minnesota, Quelle: ScienceDirect) Neben häufigen Bauschmerzen klagten die Kinder zu Beginn auch oft über schlappe Beinen, Erschöpfung und Kopfschmerzen.
Allerdings können ständige Bauchschmerzen bei Kindern auch viele andere Ursachen haben. Achte vielmehr darauf, ob andere typische Begleitsymptome wie beispielsweise Schlappheit, Beinschmerzen, Reizempfindlichkeit, Kopfschmerzen, schwere Beine und/oder Schwindel und Übelkeit hinzukommen.
Dass es Kinder gibt, die nach einer überstandenen Corona-Infektion über Wochen müde und erschöpft sind und dadurch häufiger krank, ist von vielen Medizinern während der Pandemie beobachtet worden. Doch Kinder, die seit Corona ständig krank sind, haben nicht zwangsläufig Long Covid oder ME/CFS. Bei vielen ist das Immunsystem geschwächt, sodass sie anfälliger für Infekte sind.
Sollten allerdings weitere Begleiterscheinungen, wie häufige Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Schlappheit und Schwindel und Übelkeit hinzukommen oder hast du das Gefühl, dass sich dein Kind nicht mehr richtig erholt, dann solltest es schonen und einen Arzt aufsuchen, der sich mit Long Covid oder ME/CFS auskennt.
Wichtig zu wissen: Die Begleiterscheinungen treten meistens nicht alle gemeinsam auf, sondern nur einzelne von ihnen.
Ja, es können erste Anzeichen von ME/CFS sein – müssen es aber nicht. Nach einem Infekt ist es bei Kindern völlig normal, einige Tage oder Wochen müde und geschwächt zu sein. Wenn sich dein Kind aber nicht richtig erholt, neue oder ungewöhnliche Symptome auftreten (zum Beispiel Beinschmerzen, Konzentrationsprobleme, Kreislaufbeschwerden, Schlafstörungen) und besonders, wenn schon kleine Anstrengungen den Zustand verschlechtern, solltest du aufmerksam werden.
Wichtige Warnzeichen für ME/CFS Diagnosen:
- Dein Kind ist auch nach Wochen noch ungewöhnlich erschöpft.
- Es fühlt sich nach körperlicher oder geistiger Anstrengung deutlich schlechter – oft mit zeitlicher Verzögerung.
- Der Alltag (zum Beispiel Schule, Freunde, Bewegung) ist plötzlich kaum noch machbar.
- Die Symptome schwanken stark – gute Phasen wechseln sich mit schlechten ab.
In diesem Fall ist es sinnvoll, das Kind vorsorglich zu schonen (Pacing) und die Symptome ärztlich abklären zu lassen. Frühzeitige Entlastung kann den Verlauf positiv beeinflussen.
Ja, generell kann jede Altersgruppe von ME/CFS betroffen sein. Auch Kita-Kinder können ME/CFS entwickeln. Zwei Altersgruppen sind laut einer norwegischen Studie (die Studie stammt allerdings aus 2014, also vor der Pandemie) besonders betroffen: Kinder von 10 bis 19 Jahren und Erwachsene von 30 bis 39 Jahren. Frauen sind dabei 3-mal so häufig betroffen wie Männer. (Quelle: Deutsche Gesellschaft für ME/CFS)
ME/CFS kann eine Folge von Long Covid sein, ist aber eine eigenständige Erkrankung mit typischen Merkmalen wie der Belastungsintoleranz (PEM = Post-Exertional Malaise). Nicht alle Kinder mit Long Covid haben ME/CFS – aber viele ME/CFS-Fälle haben sich in den letzten Jahren aus Long-Covid entwickelt.
Wichtigstes Symptom von ME/CFS ist die Zustandsverschlechterung nach Belastung (körperlich, geistig oder durch Stress), auch PEM = Post-Exertional Malaise genannt. Auffällig ist vor allem eine anhaltende, tiefe Erschöpfung, die sich durch Ruhe nicht bessert. Typisch sind zu Beginn der Krankheit Beinschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel bei aufrechter Körperhaltung, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Reizempfindlichkeit.
Nein. ME/CFS ist bewiesenermaßen keine psychische Erkrankung, sondern eine körperlich messbare neuroimmunologische Erkrankung. Psychische Belastungen können Folge – aber nicht Ursache der Erkrankung sein.
ME/CFS tritt häufiger bei älteren Kindern, insbesondere Mädchen, auf. Das Haupterkrankungsalter liegt bei 15 bis 40 Jahren, doch mittlerweile häufen sich auch Fälle bei jüngeren Kindern. (Quelle: Dr. Diego Schmidt im MDR-Interview)
Nimm dein Kind ernst, schone es und reduziere die Belastung (Pacing) und dokumentiere die Symptome. Suche möglichst eine kinderärztliche Praxis mit Erfahrung in ME/CFS oder Long Covid. Frühes Erkennen und Schonung beeinflussen den Verlauf positiv. Suche gegebenfalls Selbsthilfegruppen auf, falls dein Kinderarzt nicht weiterhelfen kann. So kannst du über die Empfehlungen anderer Eltern Ärzte finden, die sich auskennen.
Es gibt derzeit keine Heilung und keine wirksame Therapie. Aber: Durch frühzeitiges Pacing (gezielte Schonung) kann die Krankheit oft stabilisiert oder ein schwerer Verlauf vermieden werden. Begleitend können Symptome behandelt werden. Da bisher aber nur wenige Medikamente speziell zur Behandlung von ME/CFS zugelassen sind, findet der Einsatz von Medikamenten häufig im Off-Label-Use statt. Wirksame und kausale Therapien werden weltweit erforscht, aber bis jetzt fließen zu wenig Gelder in die Forschung, um Ergebnisse erzielen zu können.
Pacing ist eine Strategie, bei der Kinder ihre Aktivitäten an ihre begrenzte Energie anpassen. Ziel ist es, Überlastung zu vermeiden und so Rückschläge zu verhindern. Es bedeutet: rechtzeitig Pausen machen – nicht erst, wenn es zu spät ist.
Wichtig ist Verständnis, Flexibilität und die Möglichkeit, das Kind zu schonen. Präsenzpflicht, Leistungsdruck oder Unverständnis können den Zustand verschlechtern. Schulische Nachteilsausgleiche oder individuelle Lernpläne sind möglich und in dieser Situation sehr wichtig. Die Betroffenen und Familien leiden so stark unter der Krankheit, dass zusätzlicher Druck und Unverständnis von außen ihre Situation nur verschlimmern.
Die Prognose ist von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Allgemein ist die Prognose bei Kindern und Jugendlichen besser als bei Erwachsenen, allerdings ist auch bei ihnen mit einem langwierigen Verlauf zu rechnen. (Quelle: Kinderklinik München Schwabing)
Laut einer Langzeitstudie von 2019 (vor der Pandemie) von Katherine Rowe beträgt die durchschnittliche Erkrankungsdauer bei Kindern und Jugendlichen 5 Jahre mit einer Schwankungsbreite von 1 bis 15 Jahren, bei adäquater, symptomatischer Behandlung. (Quelle: National Library of Medicine)
Das Coronavirus ist mittlerweile für eine Vielzahl von ME/CFS Fällen bei Kindern und Jugendlichen verantwortlich. Da ME/CFS die schwerste Form von Long Covid ist, entwickeln seit der Corona-Pandemie immer mehr Menschen ME/CFS. Zwar gab es ME/CFS auch schon vor der Pandemie, doch Experten gehen von einer Verdopplung der Fallzahlen aus. Mit jeder Corona-Infektion steigt das Risiko, Long Covid oder ME/CFS zu entwickeln.
Laut neuesten Studien verdoppelt sich das Long Covid Risiko für Kinder und Jugendliche nach der zweiten Covid19-Infektion. Des Weiteren zeigte eine weitere Studie, dass das Immunsystem zwölf Monate nach einer Covid Infektion geschwächt ist für andere Erreger. Da das Coronavirus nicht verschwinden wird, werden auf lange Zeit immer mehr Menschen an ME/CFS erkranken. Daten der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg zeigen bereits jedes Jahr eine Zunahme von ME/CFS Fällen.